Wenn Liebe ... > Wenn Liebe fällt

Wenn Liebe fällt


Sebastian zog unter den missbilligenden Blicken des Nachbarn seine Bahnen. Der Rasenmäher knatterte etwas zu laut für einen Dezembermorgen, aber er wollte den Rasen kurz und laubfrei haben.

Katrin räumte die Spülmaschine aus, während die Kinder das Geschirr vom Frühstück in die Küche brachten. „Und Papa isst noch?“
„Nee, der ist rausgegangen“, antwortete David, stellte die letzten Teller ab und verschwand in seinem Zimmer.
„Was macht Papa draußen?“, fragte Sarah.
„Er hängt wahrscheinlich noch eine Lichterkette auf.“ Sie nahm ein feuchtes Tuch, ging zum Esstisch und wischte ihn ab.
Sarah kam hinterhergetrappelt und schaute aus dem Fenster. „Mama, schau!“
Katrin sah hinaus und sah Sebastian rasenmähen. „Was soll denn …“
„Kann ich auch raus, zu Papa?“

„Papa, Papa, kann ich helfen?“, rief Sarah, als sie in den Garten lief.
„Na klar! Du kannst alles, was hier liegt, in die Bio-Tonne werfen.“
Sie schaute den Laubhaufen an und sprang erstmal hinein, bevor sie anfing, einzelne Blätter zur Bio-Tonne zu tragen.

„Mama, wir sind wieder da“, rief Sarah, während sie hektisch Schuhe und Jacke auszog. „Hast du gesehen, wie ich in die Blätter gesprungen bin?“
Katrin lehnte in der Wohnzimmertür. „Ja Schatz, habe ich gesehen. Und jetzt geh Händewaschen und dann kannst du dir in der Küche etwas zu essen nehmen.“ Dann schaute sie Sebastian an.
„Was?“, fragte er knapp.
„Musste das jetzt sein?“
„Terrasse fegen und rasenmähen? Ja. Hatte ich doch schon seit Monaten vor.“
„Heute?“
Sebastian zuckte mit den Schultern und ging zum Händewaschen ins Bad.
„Du weißt schon, dass wir heute noch einiges zu erledigen haben?“
„Ja, wie jedes Jahr.“
„Und du musst nachher noch meine Eltern abholen.“
„Ja, weiß ich. Ich schnappe mir jetzt die Kinder und schmücke den Baum. Okay?“
Sie schüttelte genervt den Kopf und verschwand in der Küche.
„Und wenn ich Beate und Werner abhole, kann ich die Kinder auch mitnehmen“, rief er ihr hinterher.

Sebastian kam aus dem Wohnzimmer in die Küche: „Der Baum ist geschmückt, deine Eltern sind mit den Kids in Davids Zimmer und der Tisch ist gedeckt. Noch was?“
„Du kannst die Soße rühren, dann kann ich die Geschenke unter den Baum legen und wir können gleich essen.“
„Okay, ich muss aber noch mal raus.“
„Was?“ Katrin schaute ihn energisch an.
„Ja, ich muss den Rasenmäher noch in den Schuppen räumen.“
„Na das muss ja nun wirklich nicht jetzt sein“ sagte sie und ging ins Wohnzimmer.
„Doch, muss es“, murmelte er, rührte die Soße um und stellte die Herdplatte auf Stufe eins herunter. Dann ging er raus.

Katrin legte die Geschenke unter den Baum und sah, dass die Rollläden schon geschlossen waren. Sie zog die Gardinen vor die Fenster. Als sie wieder in die Küche kam, klingelte der Timer. Sie ging in den Flur und rief nach oben: „Essen ist fertig. Kommt bitte!“
Sarah kam als erste heruntergestürmt.
Beate nahm von Katrin befüllte Schüsseln und brachte sie zum Esstisch.
Werner kümmerte sich um die Getränke.
„Und wo ist Sebastian?“, fragte Katrin. „War der nicht mit euch oben?“
„Ich habe draußen etwas klappern gehört“, berichtete Werner.
Sie öffnete das Küchenfenster ganz und schrie: „Sebastian! Essen ist fertig.“
Nach einer kurzen Pause hörte sie: „Bin gleich fertig. Einen Moment noch.“

Als Sebastian hereinkam, saßen alle wartend am Tisch. Er hieß sie zum Weihnachtsessen willkommen und setzte sich.
„Was brummt denn da?“, fragte Werner.
„Unser Nachbar hat einen riesigen Weihnachtsmann aufgebaut. Ich glaube, das Gebläse ist so laut.“
Dann aßen alle schweigend. Nur die Kinder zappelten auf ihren Stühlen und stopften sich so schnell es ging das Essen in den Mund.
„Wann gibt es Geschenke?“, fragte Sarah ungeduldig.
„Jetzt essen wir erstmal gemütlich“, antwortete Sebastian seiner Tochter.
„Aber wir warten schon so lange“, quengelte die Kleine weiter.
Katrin stocherte in ihrem Essen.
„Es ist Weihnachten und da feiert man zusammen“, sagte er und dachte, damit das Thema zu beenden.
„Ach“, murmelte Katrin.
Er ignorierte ihren negativen Unterton.
„Ist das so?“, hakte sie nach.
„Lass uns das Essen genießen“, versuchte er sie zu beruhigen.
„Als es noch warm war, hätte ich es genießen können.“
Er verdrehte die Augen: „Ja, aber jetzt sitzen wir ja alle zusammen.“
„… und essen kaltes Essen“, beendete sie den Satz.
„Ich hab’s verstanden.“
„Nicht schnell genug“, stichelte sie weiter.
Niemand sagte etwas. Man hörte nur das Klappern des Bestecks.
Sebastian nahm ein paar Bissen vom Weihnachtsbraten. „Ist doch lecker.“
„Aber kalt“, entgegnete Katrin.
Sebastian schlug die Hände auf den Tisch, so dass das Geschirr klirrte. „Gut, dann beende ich das Essen. Kommt bitte alle mit zum Weihnachtsbaum!“
Die Kinder sprangen freudig auf und rannten los.
Katrin fing an Teller zu stapeln.
Er nahm ihre Hand und sagte: „Du auch. Ich räume später auf. Jetzt ist Bescherung.“
Sie versuchte ihre Hand aus seiner zu befreien.
„Oder wir essen nachher einfach weiter. Jetzt komm, bitte!“
Widerwillig ließ sie sich von ihm wegziehen.
Sebastian platzierte alle so, dass sie auf den Weihnachtsbaum im Erker schauen konnten. Dann öffnete er die elektrischen Rollläden. Draußen, hinter dem Baum, wurde es hell. Die Terrasse und der Rasen waren weiß und fallende Schneeflocken glitzerten im Licht. Der mit Lametta behängte Weihnachtsbaum hatte den perfekten Hintergrund.
Werner stieß Sebastian in die Seite und flüsterte: „Gebläse vom Nachbarn, alles klar.“
Er antwortete leise: „Ich wusste vorher nicht, wie laut dieses Ding ist.“
„Wow“, murmelte Sarah und vergaß für einen Moment die Geschenke.
Sebastian stellte sich zu Katrin.
Sie nahm seine Hand. Während sie den Kopf schüttelte, fing sie an zu lächeln und raunte ihm zu: „Ich bin immer noch sauer auf dich.“

Zurück