Ernst Föhlich > Robbie Williams

Robbie Williams



Hatte Zahnarzttermin. Alles in Ordnung, keine neuen Löcher, Kronen und Brücken sind noch stabil und selbst der Zahnstein hielt sich in Grenzen. Dass ich das Bonusheft für Zahnersatz mal wieder nicht dabei hatte ist, gemessen an der gegen-wärtigen Entwicklung unseres Landes, geschenkt. Da die Ärzte es nie schaffen, ihre Patienten termingerecht dran zu nehmen, nutzte ich die Wartezeit, um, wie immer in solchen Lagen, in Illustrierten zu blättern, von denen ich sonst wünsche, man hätte gegenüber solcher Papierverschwendung die Bäume lieber leben lassen. Und: ich bin froh, dass es Robbie Williams gibt. Ist er doch der lebende Beweis gegen den Betrug, Geld und Ruhm könnten einem Menschen Glück und Frieden bescheren. Und das Gute an ihm ist, er tut auch gar nicht erst so. Depression ist sein Thema. Kurt Cobain hat sie nicht überlebt; Verzweiflung und Selbstmord auf der Höhe seines Ruhmes. Dass die Schwermut eine lebensgefährliche Angelegenheit ist, sollte mittlerweile bekannter sein als die Tatsache ihrer großen Chance zu leben, neu zu leben. Und beziehen die Leute, die unter dieser schmerzhaft chronischen Traurigkeit leiden diese meistens auf äußere Umstände wie Beziehungs- oder Arbeitsplatzverlust, was mit einer gewissen Berechtigung auch nicht in Abrede gestellt werden kann, so legen Menschen wie Williams an den Tag, dass die Ursachen tiefer liegen müssen. Wie sonst kann es sein, dass jemand, der in seinem Job zu den Erfolgreichsten gehört, dem Ruhm und Geld aus allen Poren schwitzen, dem sich die Frauen horden-weise zu Bett legen würden, ließe er es zu, wie kann es sein dass so jemand, dem selbst die billigste Regenbogenpresse mit hoher Achtung begegnet und der doch in seiner Bestimmung aufzugehen scheint, nicht in der Lage ist, das alles zu genießen, sich als der glücklichste Mensch auf Erden zu fühlen? Vielleicht, weil die Illusion hier kaum noch Möglichkeiten bietet. Wer unter allem Kaufbaren nichts auslassen muss, spürt vielleicht umso deutlicher, dass gerade die Erfahrungen, die das Leben wert machen, nicht von gesellschaftlicher Stellung und äußerem Luxus diktiert werden können. Möglicherweise ist Mr. Williams ja viel ärmer als die meisten, da ihm nicht mal mehr die Illusion zur Verfügung steht. Doch andererseits, ist ihm dies nunmehr bewusst, so eröffnete sich ihm eine reale Möglichkeit zu leben, trotz aller Künstlichkeit der Beweihräucherung, Verehrung und Pro-jektion auf seine Person. Er widerlegt mit seinem Leiden den falschen Weg der Lebenserfüllung, auch wenn es gut ist, dass er sich auf ihm befindet. Nicht gut für ihn, aber für die, die kritisch herausfinden wollen, wie das Leben funktioniert. Mr. Williams mag reich und berühmt bleiben und er mag erfahren, dass hier das Glück nicht liegt. Den anderen mag genau er der Beweis dafür sein. Möge er niemals wie Cobain enden, sondern die gute Möglichkeit seines Leidens erkennen. Schön, dass es Robbie Williams gibt.

Zurück

Weiter