Ernst Föhlich > nie mehr fernsehen

nie mehr fernsehen



Ich will nicht mehr fernsehen. Ich merke, dass dieses größte Manipulationsmedium die Angst schürt.
Einerseits dreht sich alles ums Geld. Jeder Sendung folgt ein Gewinnspiel, zwischendurch die Werbeblöcke, die mir genau erklären, was mir alles zum Glücklichsein fehlt und das alles durchtränkt von hochgestylten Glamourpersönlichkeiten, die mir vor machen wollen, wie ein sorgloses Leben in Wohlstand aussieht. Sie stellen dar, wie jeder sein sollte und sind selbst nur maskierte Faschingsfiguren, die größtenteils mit ihrem Dasein nicht zurande kommen.
Auf der anderen Seite der Konsument, der nie das Gefühl loswerden darf, dass er eigentlich auf der falschen Seite sitzt, dass das Leben doch ganz anders sein sollte- nämlich entsprechend der Mattscheibenkultur -ein geliftetes, überschminktes und geheucheltes Leben. Wer lange genug einer Lüge beiwohnt, dem wird sie zur Wahrheit. Vor allem, wenn parallel zu diesem Schauspiel komprimiert die Schrecken der Menschheit als Garnierung hinzugefügt werden. Hier bebt es, dort brennt es. Hier vergewaltigt man, dort schießt man auf neue Feindbilder. Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, steigende Gesundheitskosten und sowieso wird alles immer schlimmer. Nur nicht im Fernsehen, welches doch der große Heilsbringer ist. Ein Los, ein Anruf und mit ein wenig Glück- und zwar genau das Glück - das sich heute „Sie, ja genau Sie da vor dem Bildschirm“ ausgesucht hat, um sich diesem ganzen Elend zu entziehen- wie gesagt, mit einer geringfügigen Investition, die selbst dem Ärmsten unter uns Deutschen möglich ist.
Die Welt ist schlecht und böse und wir sind ihr hilflos ausgeliefert, von Verarmung und Gewalt bedroht. Die Rettung aus dieser Gesellschaft ist die Flucht aus ihr. Doch keine Flucht in gemeinschaftliche Lebensweise, die lässt uns ja gerade an allem zu kurz kommen, wie uns das Fernsehen lehrt; sondern Flucht in die Minorität derer, die an allem zu viel haben. Zu viel Geld, zu viel Ansehen, zu viele Güter, zu viel Eitelkeit und Narzissmus im Übermaß (was natürlich alle Betroffenen bestreiten würden). Die Heilsbotschaft lautet also: Leben und Zufriedenheit sind nicht unter den Menschen zu finden, sondern jenseits der Menschen, weit über ihnen. Ließen sich früher die ägyptischen Pharaonen und römischen Cäsaren vergöttlichen, so sind es heute die Dieter Bohlens und Kader Loths. Sogar die selbst gemachten Götter sind mittlerweile zu Fastfood verkommen.
Das TV- Heil für jedes Mitglied unserer sozialen Gesellschaft liegt jenseits der Gesellschaft. Im Grunde sind wir alle Häuptlinge und keiner ist Indianer. Mit solch einer Lebenshaltung wären die Indianer auf natürliche Weise ausgestorben und hätten uns europäischen Ausrotter nicht nötig gehabt.
Doch schließlich bestimmt die Nachfrage das Angebot, auch im Fernsehen. Und so gesehen hat das Fernsehen vielleicht Recht: das Heil liegt außerhalb dieser Gesellschaft.

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